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Das weiße Gold Istriens

Igor Albanese hat in seinem Leben schon viele Trüffeln gesehen, gegessen und gefunden – denn die besten wachsen in seiner Heimat Istrien. Die Familie Zigante ist der Name hinter den istrischen Trüffeln. Es ist für ihn dennoch ein Ritterschlag, Bepo Sculac zu treffen, einen der alten Großmeister der Trüffelsuche. Gemeinsam mit dessen Hunden machen sie einen Spaziergang.

Die von Nebelschwaden umwehten mittelalterlichen Dörfer auf den Hügeln und die gelbroten Blätter, die den Waldboden bedecken, bieten eine magische Kulisse. Die verborgenen Täler und verschlungenen Pfade entlang des Flusses Mirna sind das ideale Terrain für die Weiße Trüffel.

Der bereits weit über achtzigjährige Trüffelsucher Bepo Sculac hat mich zu einem Spaziergang durch diese Trüffelwälder mitgenommen. Mein Geschäftspartner, der Trüffelbaron Giancarlo Zigante, hat ihn darum gebeten, denn ich möchte mehr über die Trüffeln in Istrien erfahren. Und wer könnte mir mehr über Trüffeln erzählen als Bepo Sculac, einer der alten Großmeister der Trüffelsuche? Ich fühle mich geehrt, ihn zu treffen. In Livade, der Trüffelhochburg Istriens, parken wir den Wagen vor dem berühmten Trüffelspezialitätenrestaurant Zigante. Von da aus geht es einen schmalen Weg entlang in den Wald hinein. Bepos Gang ist aufrecht, und seine Erinnerungen halten mich gefangen. Seine Hunde begleiten uns, heute ausnahmsweise nicht im Dienst.

RESPEKT VOR DER NATUR

„Die Trüffelsuche beginnt in der Regel früh am Morgen oder am späten Abend, wenn die Feuchtigkeit die Düfte im Boden verstärkt und so das Auffinden erleichtert“, fängt er an. „Doch es gibt keine Gesetzmäßigkeiten bei der Trüffelsuche. Jeder Sucher hat seine eigenen Weisheiten. Nicht nach Vollmond, sagte mein Vater, da findest du keine einzige Knolle. Eins ist aber sicher: Erst wenn sie der Frost tiefer in den Boden getrieben hat, entwickeln sie ihr volles Aroma. Wenn danach der Boden bricht und zusammenfällt, ist die Ernte gut. Ohne Frost keine Trüffeln.“

Seine Hunde laufen still in alle Richtungen und beschnüffeln die feuchte Erde. „Speta Luna, speta!”, ruft Bepo im istrisch-italienischen Dialekt und läuft der kleinen Hündin hinterher. Luna, die nur Italienisch versteht, zeigt brav die getrüffelte Erde mit der Schnauze an und kassiert ein Hundebonbon, von denen Bepo immer welche in seinen Taschen trägt: „Sie hat richtig gerochen und dafür bekommt sie eine Belohnung. Doch leider war jemand vor uns da.“ Dabei schaut er traurig auf die zerrüttete Erde und beugt sich hinunter.

Er bedeckt die Stelle mit Laub, um den Kreislauf der Natur wieder ins Lot zu bringen. „Wenn du die Fundstelle so respektlos hinterlässt, wachsen die Trüffeln hier nie wieder. Zu meiner Zeit gab es in dieser Gegend insgesamt nur vier Trüffelsucher. In ganz Istrien waren es 25. Heute sind es über 1.500 registrierte Sucher. Viele von ihnen respektieren diese Erde leider nicht.“ Der Respekt vor der Natur ist im Trüffelhandwerk eine Selbstverständlichkeit. Wie auch die Goldgräber halten die Sucherfamilien ihre Fundstellen seit Generationen geheim.

DIE GRÖSSTE TRÜFFEL DER WELT

„1999 fand Giancarlo hier, in diesem Wald, die größte Weiße Trüffel der Welt“, erzählt Bepo stolz weiter. „1.311 Gramm hat sie gewogen. Damit steht er im Guinnessbuch der Rekorde. Und anstatt die Knolle für damals etwa 10.000 DM zu verkaufen, bereitete er ein gigantisches Trüffel-Rührei für das ganze Dorf zu.“

Wir laufen weiter. Vor uns, zwischen bewaldeten Flächen, überall tiefe Stille.

„Cekaj Jenny, cekaj!“ Bepos Rufe, diesmal auf Kroatisch, unterbrechen die Stille. Jenny, die nur Kroatisch versteht, wühlt in der Erde. Sie findet ein kleines Knöllchen und zieht sich vornehm zurück, um Bepo Platz zu machen. Behutsam holt er die Trüffel aus der Erde heraus, um das filigrane Wurzelgewebe im Boden nicht zu zerstören. Auch für Jenny hat er ein Hundebonbon parat.

„Sind das alles weibliche Hunde?“, frage ich. „Fast ausschließlich weiblich“, antwortet Bepo. „Die Trüffeln sind auch für sie ein Aphrodisiakum. Das Erste, was so ein Trüffelhund in seinem Leben gerochen hat, ist der Trüffelgeruch, denn die Brustwarzen der Hundemutter werden mit dem Trüffel-Öl eingerieben, der erste Spielball ebenso.“

Während wir weiterlaufen, doziert Bepo: „Erst nachdem sie völlig ausgereift sind, können die Trüffeln erschnuppert werden. Es kann passieren, dass du vormittags ergebnislos an der Stelle vorbeiläufst und am Nachmittag findest du dann an derselben Stelle mehrere große Trüffeln.“

TRÜFFELHUNDE GEHÖREN ZUR FAMILIE

Ist das mit den Schweinen nur eine Legende? „Na ja, in Istrien schon. Schweine kannst du nicht erziehen. Außerdem fressen sie die Trüffeln. Hunde fressen die Trüffeln meistens nicht, und sie wühlen nicht so rabiat in der Erde, wie es die Schweine tun. Hunde sind außerdem stolz, wenn sie einen Fund anzeigen können. Mein alter Hund fand eine Weiße Trüffel von 800 Gramm, legte sich vor Freude auf den Rücken und reckte alle vier Beine in die Luft. Die Trüffel habe ich damals gegen einen Ochsen getauscht.“

Er schaut liebevoll seine vierbeinigen Freunde an. „Und obwohl sie manchmal eine Trüffel mit den Zähnen angebissen und einen möglichen Schaden von einigen 100 Euro angerichtet haben, muss ich sie belohnen. Wenn sie keine Belohnung bekommen, zeigen sie mir nichts mehr.“

„Wie viel kostet so ein Trüffelhund?“, frage ich. „Reinrassige Trüffelhunde gibt es nicht. Das sind meistens Mischlinge und sie sind wertvoll. Der Preis fängt bei 1.500 Euro an und kann bis weit über 20.000 € steigen. Doch ein guter Hund kann die Investition in einem Monat rechtfertigen“, erklärt Bepo. Seine Hunde würde er für kein Geld der Welt verkaufen. Sie sind Teil der Familie.

HEU, WEIN UND TRÜFFELN

Bepo fing mit 15 Jahren an zu suchen. Seine Eltern waren damals wütend, weil das ganze Dorf nach Trüffel stank. Er lief jeden Tag 50 bis 60 Kilometer, schlief drei Nächte im Heu. Von sieben Kilogramm Trüffeln, die er gefunden hatte, waren drei Kilogramm sein eigener Proviant. Er aß sie pur oder in der Pfanne auf dem Lagerfeuer gebraten. Und immer hatte er drei bis vier Liter Wein dabei.

„Mein damaliger Hund trug die leere Flasche vom Feld mit nach Hause und brachte eine volle zurück“, erinnert er sich. „Der Hund verstand zuerst nur Italienisch und musste nach dem Krieg, als Istrien ein Teil Jugoslawiens wurde, Kroatisch lernen.“ Unter einer Pappel in der Nähe hat er einmal sechs drei Kilo schwere Stücke gefunden, erzählt er weiter. Sie waren so verfault, dass der Hund nicht weiter graben wollte. Danach gab es 23 Jahre unter diesem Baum keine einzige Trüffel mehr. Der Baum gab den Trüffeln die Kraft. Die 18 Kilo haben sowohl den Baum als auch die Trüffeln völlig erschöpft.

Ob Bepo schon versucht hat, Trüffeln zu züchten, interessiert mich. „Das geht leider nicht“, erklärt er. „Doch einmal fand ich am Anfang der Saison eine von 500 Gramm. Ich habe sie wieder eingegraben, und nach sechs Wochen war sie 800 Gramm schwer.“ Ende November sind die Weißen Trüffeln am besten. Je weißer die Haut und dunkler das Fleisch, desto besser ist die Trüffel.

„Zu Titos Zeiten wussten die Bauern nicht, wie wertvoll die Trüffeln sind. Damals haben wir sie hauptsächlich nach Italien geschmuggelt. Das war nicht einfach, denn sie riechen so intensiv.“ Er schwelgt in Erinnerungen. „Wir haben sie in eine Plastiktüte gelegt, die Tüte in ein Tuch gewickelt und das Tuch mit Benzin begossen. Das Ganze haben wir dann in Autoreifen versteckt und sind über die Grenze gefahren. Die Grenzpolizisten von damals waren hart. Ihre Hunde auch, aber wir konnten ihre Nasen überlisten.“

Mit einem Polizisten, der ihm damals gnadenlos auf den Fersen war, trifft er sich heute regelmäßig zu einem Grappa, um gemeinsam über die alten Zeiten zu lachen. „Die meisten verkaufen wir auch heute noch nach Italien. Offiziell selbstverständlich“, schmunzelt er. „In Alba könnten sie ohne istrische Trüffeln den Laden schließen. Das ist in der Trüffelszene eine bekannte Tatsache.“ Der Spaziergang ist langsam zu Ende und wir kehren zurück zum Restaurant Zigante, wo wir zu Mittag essen wollen. Auf dem Parkplatz sind einige Sportwagen aus Italien geparkt.

DIE VERSUCHUNG TRÜFFEL

„Gibt es hier auch Schlangen?“, will ich noch wissen. „Selbstverständlich, aber die sammle ich nicht“, antwortet Bepo wie selbstverständlich, während er mit einem kleinen Besen seine Stiefel säubert. Meine Stiefel sind bereits sauber, und ich betrachte die zwei neuen Auszeichnungen am Eingang des Restaurants Zigante: MasterCard „World Priceless“ und Michelin Guide Auszeichnungen. Und ich freue mich darauf.

Im Restaurant ist es angenehm voll. Zarko, mein Lieblingskellner, begrüßt uns mit Handschlag. Zarko, der seit über einem Jahrzehnt in diesem Gourmettempel serviert, ist eigentlich Tierarzt, doch die Trüffeln halten ihn hier gefangen. Er bringt uns zum Tisch und ich genieße die Düfte. Der Geruch von Trüffeln erinnert an den Geruch von reifem Knoblauch, frisch gemähtem Gras, Laub oder Moos – doch sie schmecken wesentlich milder, als der Geruch es vermuten lässt.

WIE DAS PARFÜM EINER FRAU

Während wir auf das Essen warten, möchte ich noch mehr erfahren: „Wie erkenne ich eine verdorbene Trüffel?“ – „Am Geruch“, meint Bepo, „und eine verdorbene Trüffel ist einfach nicht mehr fest.“ Und wie lagert er die Trüffeln? „Ich wickle sie in ein Papiertuch und lege sie ins Eierfach in den Kühlschrank. Das Trüffelaroma erobert auch die Eier, und am nächsten Tag mache ich mir ein leckeres Rührei.“ Bepo lacht plötzlich. „Ein Chinese hat seinem Chef in China Weiße Trüffeln aus Istrien geschenkt und als ‚Weißes Gold‘ gepriesen. Sein Chef hat die Trüffeln wie Gold in den Tresor eingelagert. Die Überraschung war groß, als er nach einigen Wochen den Tresor wieder öffnete.“ Die Geschichte heitert uns auf.

„Wie bereitest du sie am liebsten zu?“ – „Na ja, Trüffeln sind wie das Parfüm bei einer Frau.“ Während wir mit einem Glas Malvasia anstoßen, redet Bepo wie ein Verliebter. „Sobald die Trüffel das Essen ‚berührt‘, veredelt sie es. Je einfacher das Gericht, desto besser kommt das Trüffelaroma zur Geltung.“

Geheimnisvoll, fast magisch – denke ich und genieße das
hervorragende Rinderfilet mit Weißen Trüffeln.